Das Gehör ist eines der wichtigsten menschlichen Sinne, mit dem wir unsere Umgebung wahrnehmen und uns im Raum orientieren. Es hilft auch, das Gleichgewicht zu halten, spielt aber die bedeutendste Rolle bei der Kommunikation und Sozialisation. Durch das Hören entwickelt sich die Sprache und wird die Sprache erlernt, die für die Kommunikation mit anderen und den Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen entscheidend ist. Ein Hörverlust kann jedoch die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen, unabhängig davon, ob er teilweise oder vollständig auftritt. Menschen mit Hörverlust haben es oft schwer, Sprache und Sprachkenntnisse zu erwerben, was sich negativ auf ihre Kommunikation und auf Aktivitäten im Alltag auswirkt, die mit zwischenmenschlichen Interaktionen verbunden sind.
Bei hörenden Kindern beginnt die Sprachentwicklung in frühester Kindheit durch die Einwirkung von Umgebungsgeräuschen und gesprochener Sprache. Hörende Kinder erwerben die Lautsprache natürlich und spontan als ihre erste und Muttersprache. Kinder mit Hörverlust stehen jedoch vor besonderen Herausforderungen, da ihr Hörverlust eine natürliche Sprachentwicklung und den Spracherwerb verhindert. Sie erlernen die Sprache durch rehabilitative Methoden, wobei sie sich auf ihre verbleibenden Hörreste und ihre Hörhilfen stützen.
Je schwerer der Hörverlust und je früher er auftritt, desto größer sind die Schwierigkeiten in der Sprachentwicklung. Der Hörverlust beeinflusst die sprachliche Entwicklung und die Lese- und Schreibfähigkeiten bei gehörlosen und schwerhörigen Menschen. Das Ausmaß der Folgen hängt maßgeblich von einer Vielzahl von Faktoren ab: Grad des Hörverlusts, Zeitpunkt des Auftretens, Zeitpunkt der Diagnose, Zeitpunkt und Intensität der Rehabilitation, Hörstatus der Eltern und Unterstützung durch Familie und Umfeld. Kinder mit Hörverlust bleiben in der Regel hinter ihren hörenden Altersgenossinnen in der Sprachentwicklung zurück. Manche Kinder erreichen auch im Erwachsenenalter keine verständliche Sprache oder ausreichende Sprachbeherrschung und haben Schwierigkeiten beim Lesen und Verstehen geschriebener Texte. Für sie ist die Lautsprache quasi eine Fremdsprache. Häufig verwenden sie die Gebärdensprache als primäre Sprache und bevorzugtes Kommunikationsmittel, sofern sie in ihrer Umgebung die Möglichkeit haben, Gebärdensprache zu lernen und mit anderen auf Gebärdensprache zu kommunizieren, beispielsweise wenn sie aus einer gehörlosen Familie stammen oder in einer Schule mit Gebärdensprachunterricht waren. Dies ist jedoch nicht zwingend der Fall, da es auch Kinder gibt, die im Laufe ihrer Schulbildung die Lautsprache erfolgreich beherrschen und sehr gute bis ausgezeichnete Lese- und Schreibfähigkeiten entwickeln, vergleichbar mit denen ihrer hörenden Altersgenossinnen.
Verschiedene Faktoren beeinflussen den Spracherwerb und das bevorzugte Sprachmodalität. Der Hörstatus der Eltern spielt eine wichtige Rolle und beeinflusst oft die Sprachwahl für das Kind – Lautsprache oder Gebärdensprache, je nach der Erstsprache der Eltern, deren sozialen Kontakten, Erfahrungen mit Bildung und Rehabilitation sowie ihrer Präferenz für bestimmte Rehabilitationsmethoden. Letztendlich bestimmt die Wahl der Eltern, ob das Kind mit Hörverlust die Gebärdensprache erwirbt oder die Lautsprache lernt.
Da ein Hörverlust auch nach dem Spracherwerb auftreten kann (postlingualer Hörverlust), sprechen diese Menschen verständlich und haben keine Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben, da sie die Sprache vor dem Hörverlust standardmäßig erworben haben. Für sie bleibt die Lautsprache weiterhin die primäre Sprachmodalität, die sie vorher natürlich und spontan erworben haben.
Unabhängig vom Zeitpunkt des Auftretens des Hörverlusts – vor oder nach dem Spracherwerb – gilt für beide Gruppen, dass sie in unterschiedlichem Maße Schwierigkeiten haben, die Sprache anderer zu verstehen und je größer der Hörverlust, desto größer ist das Bedürfnis, die Sprache anderer visuell wahrzunehmen (durch Lippenlesen und die Verwendung von Hörgeräten).